Projekt Sangerhausen

Rating – Für lebenswerte Stadtquartiere

Die Berg- und Rosenstadt Sangerhausen hat sich die Gestaltung zeitgemäßer und attraktiver Stadtquartiere zur Aufgabe gemacht: Ausgangsbasis für die Sangerhäuser Stadtumbaumaßnahmen im Kontext der IBA Stadtumbau 2010 war eine Standortanalyse (Mikrostandortrating), die die Attraktivität von Wohnhäusern und Standorten, die Mieter- und Sozialstruktur sowie die Marktsituation erhob. Diese Daten bilden die Basis für die Aufwertung der entwicklungsfähigen, lebenswerten Stadtteile durch gezielte Abriss-, Gestaltungs- und Baumaßnahmen. Ziel ist nicht nur die Konsolidierung einzelner Stadtteile, sondern auch die Stärkung der dort lebenden Gemeinschaften. Dabei strebte Sangerhausen neben der Profilierung und einem dem demografischen Wandel angepassten Umbau der Wohnquartiere vor allem eine nachhaltige und umweltfreundliche Bauweise an.

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Die politische Wende 1989/90 brachte tiefe Umbrüche für Sangerhausen mit sich. Der Bergbau wurde 1990 endgültig eingestellt – die Kupfererzförderung wurde nach 800 Jahren Ende 1885 wegen fehlender Rentabilität stillgelegt, 1951 aber wieder aufgenommen, um die DDR von Kupferimporten unabhängig zu machen – und viele Menschen verließen auf der Suche nach neuen Arbeitsplätzen die Stadt. Sangerhausen verlor fast ein Drittel seiner Bevölkerung und hatte Mitte 2009 noch 21 579 Einwohner. Folglich wiesen einige Plattenbausiedlungen bereits 1999 große Leerstände auf. Um der bedrohlichen Situation für die Wohnungswirtschaft zu begegnen, gründeten die Städtische Wohnungsbaugesellschaft mbH (SWG) und die Wohnungsgenossenschaft Sangerhausen e. G. (WGS) gemeinsam mit der Stadt 1999 eine Lenkungsgruppe, die ein Stadtentwicklungskonzept entwarf und die Abrissmaßnahmen, die im selben Jahr begannen, koordinierte. Das integrierte Stadtentwicklungskonzept der Lenkungsgruppe gewann beim Wettbewerb Stadtumbau Ost 2002 den 1. Preis. Das Konzept setzte auf drei Strategien: Umbau und Profilierung der baulich-räumlichen Stadtstruktur, Aufwertung des Wohnungsbestandes und der Unternehmensstruktur sowie Förderung des Engagements der Sangerhäuser Bürger bei der Umgestaltung ihrer Stadt.

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Aus der Lenkungsgruppe entstand die IBA-ARGE, eine Arbeitsgemeinschaft, die ursprünglich unter dem Motto „Gemeinsam für Sangerhausen“ öffentliche und private Partner aus Wohnungswirtschaft, Infrastrukturunternehmen, Sozialwirtschaft, Bürgerschaft und Verwaltung zusammenführte. Bis 2000 lag der Schwerpunkt der Stadtentwicklung auf der Sanierung der Altstadt, denn die Geschichte Sangerhausens lässt sich an ihrem gut erhaltenen Baubestand ablesen, der den Zweiten Weltkrieg relativ unbeschadet überstanden hatte. Der unter Denkmalschutz stehende Altstadtkern umfasst unter anderem den Kornmarkt, den Markt mit Rathaus und Patrizierhäusern aus der Renaissance sowie das älteste Bauwerk der Stadt, die Ulrichkirche, eine romanische dreischiffige Pfeilerbasilika, die auch eine Station auf der Straße der Romanik des Landes Sachsen-Anhalt ist. Sangerhausen indes ist viel älter und ging aus einer fränkischen Gründung im 6. Jahrhundert hervor. 1204 ist das Stadtrecht erstmals belegt.

Seit dem Jahr 2000 konzentrierte man sich auf die Stadterweiterungsgebiete der Nachkriegszeit. Sangerhausen verfügt über die komplette Bandbreite an Siedlungsbauformen seit den 1950er Jahren. Um die Lebensqualität vor allem für ältere Menschen und Familien mit kleinen Kindern zu erhöhen, entwickelten die SWG und die WGS in Zusammenarbeit mit der Wohlfahrtspflege für diese Zielgruppen Serviceleistungen, die von Nachbarschafts- und Mieterzentren angeboten werden. Diese Zentren fördern nicht nur das Engagement der Bürger, sondern auch ein Umdenken bei Wohnungsunternehmen und gemeinnützigen Diensten, die sich neue Wege der Kooperation erschließen. Bei allen Sanierungs- und Neubauprojekten wird besonderer Wert auf barrierefreies Wohnen gelegt. Während die Kerngebiete gestärkt werden, sollen in Randgebieten Wohngebäude abgerissen werden.

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Das herausragende IBA-Projekt ist die Siedlung Am Bergmann, das Zentrum der Westsiedlung. Dabei handelt es sich um eine Siedlung im sozialistischen Stil aus den 1950er Jahren, in der vier Häuser denkmalgerecht saniert wurden. Ziel war es, möglichst viel Originalsubstanz zu erhalten, den Wohnkomfort aber beispielsweise durch den Einbau von Wintergärten und Aufzügen zu verbessern. Ein innovatives Energieversorgungssystem mit Solarenergie und Wärmerückgewinnung hilft, die Nebenkosten zu reduzieren.

In der 1961 bis 1963 erbauten Südsiedlung entstand das Generationenhaus, das gemeinsames barrierefreies Wohnen für alte Menschen und junge Familien ermöglicht. Das Haus wurde unter Mitwirkung der zukünftigen Mieter entworfen und beherbergt auch den sogenannten Servicestützpunkt, ein Nachbarschaftszentrum für Menschen aller Altersgruppen. Der Stützpunkt wurde vom Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ gefördert und wird von einem Unternehmen der Sozialwirtschaft betrieben.

In der Südwestsiedlung, die 1963 bis 1974 entstand, wurde unter dem Motto „Wohnen in der Gemeinschaft“ gebaut. Ein Stadtgebietszentrum, welches in Zusammenarbeit von SWG und AWO im Haus betrieben wird, steht den Mietern und Bewohnern des gesamten Wohngebietes zur Verfügung. Das Projekt erhielt unter anderem Gelder aus einem Fördermittelwettbewerb des Landes Sachsen-Anhalt.

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In der Siedlung Othaler Weg aus den späten 1980er Jahren lag der IBA-Schwerpunkt auf der Errichtung eines Mieterzentrums (MIEZ), das von Wohnungsgesellschaften und Trägern der öffentlichen Wohlfahrtspflege gemeinsam konzipiert wurde, um vor allem älteren Bürgern zu ermöglichen, länger in der eigenen Wohnung und dem gewohnten sozialen Umfeld zu leben. Das MIEZ wird von einem Unternehmen der Sozialwirtschaft –Projekt 3 e. V. – in Kooperation mit dem Verein MitBürger e. V. betrieben.

Die im Ergebnis eines Wettbewerbsverfahrens durchgeführte Sanierung der  Siedlung  "Am Bergmann" wird als besonders gelungen gelobt. Die in den anderen Siedlungen entstandenen Neubauten sind Ausdruck des Umbaus und der Weiterentwicklung, die den Erfordernissen des demografischen Wandels folgen und dementsprechende Angebote geschaffen haben. In dem einen oder anderen Fall wäre aus gestalterischer Sicht ein Wettbewerbsverfahren wünschenswert gewesen.
Ein weiteres IBA-Projekt sind die vom MitBürger e. V. initiierten Kumpel-Plätze, die gemeinsam von Stadt, Bürgern, Landschaftsarchitekten und einer Künstlerin geplant wurden. Die Bezeichnung der Plätze spielt auf Sangerhausens Vergangenheit als Bergbaustadt ebenso an wie auf die Funktion als Treffpunkt für Jung und Alt (Kumpel heißt Bergmann, aber auch Freund). 2007 konnte der erste Platz in der Westsiedlung, 2008 der zweite am Othaler Weg eröffnet werden. Unter dem Kumpel-Platz der Westsiedlung befindet sich die sogenannte Bergmannslade, eine in einem Schacht gelagerte Kapsel, in der die Geschichte des Stadtgebietes und aktuelle Ereignisse dokumentiert werden. Die Lade soll jährlich gehoben und ihr Inhalt fortgeschrieben werden.

Petra Frese, 2010

Entwurf Kumpelplatz Westsiedlung

 

Därr Landschaftsarchitekten; August 2007

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Entwurf Kumpelplatz Othaler Weg

 

Därr Landschaftsarchitekten; April 2008

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Präsentation 2010 in Sangerhausen

Installation

Im IBA-Jahr war vor der Jacobikirche im Herzen der Stadt in einer Freiluftausstellung eine Ausgrabungsstätte zu erleben. Die Einblicke reichten bis 500.000 Jahre zurück. Innerhalb des IBA-Jahres fanden hier besondere Aktionen statt.

Jacobikirche, Am Markt

Gestaltung: Peanutz Architekten, Berlin

Weitere Sangerhausen-Bilder

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Info: Sangerhausen