Projekt Weißenfels

Grün der Zeit

Weißenfels im Burgenlandkreis, etwa 30 Kilometer südwestlich von Leipzig an der Saale gelegen, war ein bedeutendes Industriezentrum und seine Neustadt nördlich der Saale ist geprägt von zahlreichen altindustriellen Standorten. Diese nicht mehr genutzten Areale mitten in der Neustadt trennen die im Norden gelegenen neueren Siedlungen von dem Gründerzeitquartier im Süden, das während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert entstanden ist. Im Rahmen der IBA Stadtumbau 2010 entsteht hier nach dem Abriss der maroden Fabrikanlagen ein Landschaftszug in Ost-West-Richtung, der das Ziel hat, die Neustadt für die Bewohner attraktiver zu machen.

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Das IBA-Motto der Stadt – „Grün der Zeit/Gründerzeit“ – verweist auf diesen Grüngürtel ebenso wie auf das zweite Planungsziel: Weißenfels setzt auf eine Kooperation mit der Lebensmittelindustrie als Rückgrat für den Stadtumbau. Das zeigt sich auch in den Themen, die Weißenfels für seine IBA-Projekte gewählt hat: „Wirtschaft schafft Grün“, „Wirtschaft schafft Wohnen“ und „Wirtschaft schafft Bildung“.

Weißenfels hatte sich nach 1945 mit dem VEB Kombinat Schuhe zum größten Schuhproduzenten der DDR entwickelt. Etwa 75 Prozent der Schuhproduktion der DDR wurden von mehr als 6000 Beschäftigten im Raum Weißenfels hergestellt. Die Privatisierung der Betriebe nach der Wende 1989/90 führte bis 1992 zu einem weitgehenden Zusammenbruch der Schuhindustrie, die nach der Öffnung der Märkte keine Überlebenschance gegenüber der Konkurrenz aus Billiglohnländern hatte. Wegen der fehlenden Arbeitsplätze auch in der benachbarten Chemieindustrie kam es zu einer Abwanderung der Bevölkerung, die trotz der Ansiedlung neuer Betriebe vor allem aus dem Bereich der Lebensmittelindustrie nicht gestoppt werden konnte. Betrug die Einwohnerzahl 1990 noch gut 37 700 Einwohner, so waren es Mitte 2008 nur noch 29 133 mit weiter abnehmender Tendenz (Prognose 2010: 28 610 Einwohner). Die Lebensmittelindustrie mit Fleischproduktion, Backwarenherstellung, Milchbetrieben und Getränkeherstellung bildet heute neben der Kunststoffindustrie das wichtigste Beschäftigungsfeld für die Menschen der Stadt – was allerdings auch mit Problemen verbunden ist. So ist der Neubau des Schlachthofs, in dem täglich 20 000 Schweine geschlachtet werden, wegen der Geruchsemissionen, der Abwasserbelastung und des hohen Verkehrsaufkommens durch Anlieferung und Abtransport unter ökologischen Gesichtspunkten durchaus kritisch zu werten. Als Weißenfels 2003 IBA-Stadt wurde, lag es deshalb nahe, die expandierende Lebensmittelindustrie eng in den Stadtumbauprozess einzubinden. Die Firmen haben inzwischen ein Netzwerk gebildet, das sich als Träger eines gemeinsamen Standortmarketings versteht.

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Als größtes Projekt im Rahmen der IBA Stadtumbau 2010 entsteht unter dem Motto „Wirtschaft schafft Grün“ auf den ehemaligen Industrieflächen der Neustadt schrittweise ein Grüngürtel, der Alt- und Neustadt verknüpft, den Bogen zur Saale schlägt und so wieder eine stärkere Verbindung zwischen Fluss und Stadt herstellt. Er ist so gestaltet, dass er mit wenig Aufwand gepflegt werden kann. Für die Modellierung des Geländes wurde zum Teil Schutt der abgerissenen Fabrikbauten verwendet. Als zentrales Element und als ein „Generationenwerk der Neustädter Bürger“ wurde ein Hain mit zum großen Teil von Bürgern gestifteten und im September 2007 selbst gepflanzten Bäumen angelegt, der dem Verlauf einer alten Kohlentrasse folgt. Das stillgelegte Elektrizitätswerk wird auf der Grundlage eines Nutzer- und Betreiberkonzepts als städtischer Eigenbetrieb zu einem Veranstaltungszentrum für unterschiedliche Nutzungen umgebaut.

Auch die Lebensmittelindustrie hat sich an den Planungsüberlegungen beteiligt. Durch die Betriebe dieses Netzwerks wurden Einzelprojekte gefördert und Ausgleichsmaßnahmen vorzugsweise im Grünzug durchgeführt. Darüber hinaus unterstützten die Vertreter des Netzwerks Ernährungsgewerbe Sachsen-Anhalt Süd die weiteren Schwerpunkte des Weißenfelser IBA-Projekts Bildung und Wohnen. Die Finanzierung der Herrichtung des Landschaftsgürtels, dessen erste drei Bauabschnitte im Frühjahr 2009 der Öffentlichkeit übergeben wurden, erfolgte im Wesentlichen aus Mitteln des Programms „Stadtumbau Ost“.

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Die Ideen und Planungen für den Grünzug wurden ab 2003 in mehreren „Neustadtwerkstätten“, an denen Architekten, Stadtplaner, Landschaftsarchitekten, Vertreter der IBA, aus der Wirtschaft, der Stadt und von Vereinen sowie Bürger teilnahmen, entwickelt. Das Interesse der Weißenfelser an Fragen des Stadtumbaus wurde dadurch geweckt und zeigt sich auch in der regen Beteiligung an Aktionen wie der Baumpflanzung in dem neuen Grünzug.

So entstand gemeinsam mit den Bürgern auch der Plan zur Gestaltung des westlichen Landschaftsraums als eine Weiterführung des Grünzugs über die Saale hinweg in die Altstadt hinein. Dieser „Brückenschlag“ umfasst die beiden Projekte „Südliches Altstadtsaaleufer/Stadtbalkon“ und ehemalige „Getreidewirtschaft“. 2010 soll ein Teilbereich der historischen Promenade einschließlich des Klingenplatzes umgestaltet sein. Damit wird die gründerzeitliche Neustadt nicht nur als Wohnquartier aufgewertet, sondern zugleich durch eine „Landschaftsbrücke“ mit der attraktiven Altstadt verbunden, die 1656 bis 1746 Residenz des sächsischen Herzogtums Sachsen-Weißenfels war. Aus dieser Zeit als Residenzstadt stammt auch das Barockschloss Neu-Augustusburg auf dem weißen Felsen, der der Stadt ihren Namen gab. Weitere Zeugnisse aus dem Barock sind die Schlosskirche, das Fürstenhaus und das Rathaus sowie zahlreiche Bürgerhäuser in der Altstadt, zu deren prominenten Bewohnern u. a. Heinrich Schütz (1585–1672), Johann Beer (1655–1700) sowie Friedrich von Hardenberg (Novalis; 1772–1801) gehörten.

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Auch bei einem weiteren Aspekt des Weißenfelser IBA-Vorhabens steht die Neustadt im Mittelpunkt. Als Teil des Projekts „Wirtschaft schafft Wohnen“ wurde das Gründerzeitquartier östlich vom Märchenbrunnen an der Merseburger Straße in den Fokus gerückt. Hier sollen in einem längerfristigen Prozess neue Wohnformen ermöglicht werden und Wohnungen entstehen, die die unterschiedlichen Bedürfnisse der dort lebenden Beschäftigten der Lebensmittelindustrie berücksichtigen. Diese im Rahmen der IBA durchgeführte Quartiersuntersuchung hat aufgezeigt, dass trotz vorhandener Potenziale eine gemeinsame tragfähige Lösung nicht zu realisieren ist. Hier stößt auch die IBA an Grenzen. Da sich die vielen privaten Eigentümer nicht in erhofftem Maß beteiligten, übernahm die städtische Wohnungsgesellschaft außerhalb des IBA-Prozesses die Initiative.

Unter der Überschrift „Wirtschaft schafft Bildung“ will sich Weißenfels außerdem als Bildungsort für Berufe der Nahrungsmittelindustrie profilieren und auf diesem Weg sowohl den Fachkräftenachwuchs für die heimische Wirtschaft sichern, als auch den Zuzug neuer Unternehmen fördern. Das erweiterte Bildungsangebot soll die Stadt für junge Menschen attraktiver machen. In Zusammenarbeit mit dem Netzwerk der Lebensmittelindustrie werden Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen konzipiert und durchgeführt.

Ingrid Reuter, 2010

Präsentation 2010 in Weißenfels

Wanderausstellung

Weißenfels präsentierte sein IBA-Thema mit einer mobilen Ausstellung im Schloss Neu-Augustusburg, Zeitzer Straße 4. Die Ausstellung ist beendet.

Gestaltung: SNOW Landschaftsarchitekten

Weitere Weißenfels-Bilder

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Info: Weißenfels