Projekt Bitterfeld-Wolfen

Die Chemie stimmt – Netzstadt Bitterfeld-Wolfen

Im Juli 2007 schlossen sich die Städte Bitterfeld und Wolfen mit den Nachbarkommunen Holzweißig, Greppin und Thalheim zusammen. Im Jahr 2009 trat auch die Gemeinde Bobbau der jungen Stadt Bitterfeld-Wolfen bei. Die Idee einer gemeinsamen Stadt entstand bereits zehn Jahre zuvor. Der Fusionsprozess wurde seit 2003 auch im Rahmen der IBA Stadtumbau 2010 begleitet. Die Fragen dabei waren: Wie kann eine gemeinsame städtische Identität entstehen? Wie kann ein effizientes kommunales Management ohne überflüssige Parallelstrukturen aufgebaut werden? In Bitterfeld-Wolfen wurden hierfür die Begriffe Netzstadt und Netzregion geprägt, die auf arbeitsteiliges, kooperatives und vernetztes Handeln zwischen den Ortsteilen und den Nachbarkommunen setzen.


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Das Gebiet der neuen Stadt umfasst knapp 90 Quadratkilometer mit etwa 47.000 Einwohnern. Im Herzen der Stadt liegt der traditionsreiche ChemiePark Bitterfeld-Wolfen, im Osten der Große Goitzschesee, einst Tagebau und heute Kultur- und Erholungslandschaft. Westlich von Wolfen hat sich einer der größten Solarindustriestandorte Europas entwickelt.

Die Region wurde über 100 Jahre vor allem durch den Braunkohlebergbau und die Chemieindustrie geprägt. Rasantes Wachstum und Krisen, Stilllegungen, Demontagen, Umstrukturierungen und Neuansiedlungen aber auch ökologische Altlasten, bauliche und kulturelle Hinterlassenschaften haben das Antlitz der Stadt und ihrer Umgebung immer wieder verändert.

Kohle, Chemie und Photovoltaik

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Mehr als 45.000 Menschen waren Ende der 1980er im Chemiekombinat Bitterfeld, in den ORWO-Werken in Wolfen und im Braunkohlekombinat Bitterfeld beschäftigt. Knapp einhundert Jahre zuvor hatte die Ansiedlung von Chemieunternehmen wie den Elektrochemischen Werken der AEG und der Actien-Gesellschaft für Anilin-Fabrikation (Agfa) begonnen. Seit 1839 wurde bei Bitterfeld bereits Braunkohle gefördert. Vor allem die Kriegswirtschaften des 1. und 2. Weltkrieges machten die Region zu einem der wichtigsten Chemie- und Energiestandorte Deutschlands. Nach Kriegsende wurden 50 Prozent der Produktionsanlagen demontiert und in die Sowjetunion gebracht. Die Amerikaner hatten zuvor vor allem Unterlagen und Patente  aus der Filmfabrik mitgenommen. Auch in der Wirtschaftspolitik der DDR kam der Region eine Schlüsselposition zu – in die Modernisierung der Produktionsanlagen wurde allerdings kaum investiert. 1981 nannte Monika Maron in ihrem Roman Flugasche Bitterfeld die „schmutzigste Stadt Europas“.

Nach dem Zusammenbruch der DDR kam der Region Bitterfeld-Wolfen eine besondere mediale als auch politische Aufmerksamkeit zu: Der massenmedialen Stigmatisierung als ökologische Katastrophenregion folgten Sonderprogramme für die umweltgerechte Sanierung und Erhaltung industrieller Kerne. Der damalige Bundeskanzler, Helmut Kohl, unterstützte die Bayer AG bei ihrer Entscheidung, in Bitterfeld ein neues Werk zu bauen. Dennoch stieg die Arbeitslosenquote auf bis zu 29 Prozent, heute liegt sie bei etwa 11 Prozent. Viele Menschen verließen die Region. Mittlerweile haben sich wieder über 360 Firmen mit über 11.000 Mitarbeitern im ChemiePark Bitterfeld-Wolfen angesiedelt. Er gilt als europaweit beachtetes Musterbeispiel für die Restrukturierung von Chemiestandorten. Im benachbarten Solar-Valley, das sich 2001 durch die Ansiedlung des Solarzellenherstellers Q-Cells entwickelt hat, sind derzeit etwa 5.000 Menschen beschäftigt. Längst ist der Facharbeiterbedarf nicht mehr durch die Bevölkerung vor Ort zu decken, so dass täglich Tausende in die Region pendeln.

Zukünftige Aufgabe der Stadt Bitterfeld-Wolfen ist es, diese Menschen zum Bleiben zu bewegen. Verbesserte Angebote in den Bereichen Freizeit, Wohnen und Bildung sollen langfristig die weichen Standortfaktoren verbessern und so das Image einer lebens- und liebenswerte Stadt nach außen tragen.

Netzstadt-Foren

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Ein Zusammenschluss der Kommunen wurde bereits 1998 im Rahmen einer Planungswerkstatt unter Federführung der Stiftung Bauhaus Dessau im Auftrag der Entwicklungs- und Wirtschaftsfördergesellschaft des Landkreises thematisiert. Lange Zeit schien dieses Vorhaben allerdings nicht umsetzbar. Aufgrund unterschiedlicher Entwicklungen und damit verbunden unterschiedlicher Schwerpunktsetzung der Partnerkommunen rückte das Thema Fusion zunächst in weite Ferne. So hatte beispielsweise Bitterfeld, als ehemalige Kreisstadt, nach der Wende andere öffentliche Aufgaben inne. Auch beim Thema Stadtumbau wurden andere Schwerpunkte gesetzt. Unmittelbar am Stadtkern gewann Bitterfeld den großen Goitzschesee hinzu, während in Wolfen-Nord 6.000 Wohnungen zurückgebaut werden mussten. Hier war der demografische Wandel der Region besonders deutlich zu spüren. Erst 2004 rückte das Thema Fusion wieder in greifbare Nähe.

Die stadtplanerische Grundlage der Fusion 2007 war das „Gemeinsame Integrierte Stadtentwicklungskonzept“ (GINSEK, 2006), in dem wohnungswirtschaftliche Aspekte untersucht und Schwerpunkte des Stadtumbaus vereinbart wurden. Um den Prozess des Zusammenschlusses voran zu bringen und damit die gemeinsame Stadt auch langfristig handlungsfähig zu machen, waren zahlreiche Gespräche und Kompromisse zwischen den Verhandlungspartnern der Gemeinden nötig. So war es den Beteiligten wichtig, ihre Identität und ihre Geschichte in der gemeinsamen Stadt Bitterfeld-Wolfen wieder zu finden. Aus Sicht des IBA Büros wäre – angesichts des demografischen Schrumpfungsprozesses – eine noch konsequentere Konzentration von Entwicklungsressourcen auf wenige ausgewählte Schwerpunkte wünschenswert gewesen.

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Noch heute sind die demografische Entwicklung in der Region, aber auch das Zusammenwachsen der einzelnen Ortsteile zur gemeinsamen Stadt aktuelle Themen, mit denen sich intensiv auseinander gesetzt wird. Ende 2007 luden die Stadt und das IBA-Büro Experten aus Wirtschaft, Politik, Bildung und Kultur zu öffentlichen Netzstadt-Foren ein. Neben der Frage wie ein effizientes kommunales Management ohne überflüssige Parallelstrukturen aufgebaut werden könnte, ging es vor allem um die Entwicklung einer gemeinsamen Vision von Bitterfeld-Wolfen für das Jahr 2030. Wie wird sich das Stadtbild zukünftig verändern? Was kann und muss Bitterfeld-Wolfen bieten, um neue Einwohner zu gewinnen und dem Fachkräftemangel vor Ort zu begegnen? Wie kann die junge Stadt eine gemeinsame Identität aufbauen?

Fünf Teilräume mit unterschiedlichen Handlungsfeldern für die Kooperation mit Nachbarkommunen wurden identifiziert – das „Sonnenland“ mit dem Solar-Valley, das Seenland mit dem Großen Goitzschesee, das Auenland an der Mulde, der Goitzschewald im Süden und der ChemiePark im Zentrum. Darüber hinaus wurden Schlüsselprojekte für die Entwicklung der gemeinsamen Stadt festgelegt, die das Zusammenwachsen der Ortsteile unterstützen sollen. Dazu gehören unter anderen der Bitterfelder Stadtkern und seine Verbindung zum Stadthafen am Großen Goitzschesee. Für dieses städtebauliche Projekt lobte die Stadt 2008 einen Wettbewerb aus. Das Weimarer Architekturbüro Schettler&Wittenberg gewann diesen Wettbewerb und ist inzwischen mit weiterführenden Planungen beauftragt. Ein anderes Schlüsselprojekt ist die Revitalisierung des Gründungsareals der ehemaligen Filmfabrik in Wolfen. Dafür ist das im Januar 2010 eröffnete neue Rathaus der gemeinsamen Stadt zusammen mit dem Industrie- und Filmmuseum und dem Kulturhaus ein wichtiger Impulsgeber.

Franziska Eidner, 2010

Präsentation 2010 in Bitterfeld-Wolfen

Ausstellung

In der multimedialen Präsentation „Entdecke deine Stadt – Erlebe die Netzstadt!“ wurde spielerisch die Vielfalt der fusionierten Stadt und die Themen der Netzstadtforen dargestellt.

Rathaus, Rathausplatz 1, Ortsteil Wolfen

Gestaltung: Schaller & Schubert, Halle (Saale)

Weitere Bitterfeld-Wolfen-Bilder

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Info: Bitterfeld-Wolfen