Neue Landschaftsräume mit Saale verknüpfen

Interview mit Prof. Dr. Iris Reuther

„Bei öffentlichen Diskussionen steht die Herausforderung, dass man beweisen muss, wie aus den Plänen etwas wird.“
Prof. Dr. Iris Reuther, Architektin für Stadtplanung, Büro für urbane Projekte

2003, als eine der ersten Städte, bewarb sich Weißenfels erfolgreich um die Teilnahme an der IBA 2010 mit dem Thema „Grün der Zeit“, abgeleitet von Gründerzeit, Untertitel „Mehrwert Stadtlandschaft“. Was verbirgt sich hinter diesem Motto?

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Iris Reuther: Bereits in den 1990er-Jahren, als das Büro für urbane Projekte den Rahmenplan für die Altstadt fortschrieb, überlegten wir gemeinsam mit den Vertretern der Stadt angesichts vieler leerstehender Gebäude und Grundstücke, ob überall wieder Häuser gebaut werden müssen. Wenn durch sinkende Einwohnerzahlen der Bedarf an baulichen Nutzungen kleiner wird, braucht man Alternativen. Die ehemaligen Industrieareale in der Neustadt holte sich die Natur bereits zurück. Diesen Prozess zu akzeptieren, ihn mit der Saale zu verknüpfen und auch auf die Altstadt zu übertragen, wurde zur konzeptionellen Idee.

Die Natur walten lassen reicht aber nicht, um Weißenfels’ städtebauliche Probleme zu lösen …

Iris Reuther: Das ist damit auch nicht gemeint, sondern ein langfristiges Projekt, neue Stadtqualitäten zu entwickeln. Es sollen Landschaftsräume und Grünflächen entstehen, wo bisher verschlossene Gewerbegrundstücke waren. Durch den IBA-Prozess wurde die Idee geboren, solche Flächen untereinander und mit dem Uferbereich der Saale zu verknüpfen. Dass der Saaleradweg direkt am Ufer entlang und durch die Altstadt führt, ist jetzt erst möglich geworden. Als 2008 am Saaleufer die ehemalige Getreidewirtschaft abgerissen wurde, hatten viele Weißenfelser ein ähnliches Aha-Erlebnis: Eine Rückseite fiel, sie konnten ans Wasser gelangen und eine neue Lebensqualität erfahren.

In der Neustadt ist die IBA mit der Grünachse auf einer Industriebrache an der Merseburger Straße zu sehen. Was hat die Altstadt davon, und wie können die Weißenfelser die neue Landschaft nutzen?

Iris Reuther: Auf dem Altstadtufer soll der „Stadtbalkon“ die öffentlichen Räume beiderseits des Flusses erweitern und den direkten Blickkontakt ermöglichen. Diese neuen Freiräume kommen den sich wandelnden Freizeitgewohnheiten entgegen: Sport findet vermehrt draußen statt, insbesondere Wege am Wasser werden als attraktiv empfunden. Und warum soll man nicht auch in Weißenfels auf der Saale Boot fahren?

Haben Sie solche Überlegungen in den Neustadt-Werkstätten vermittelt? Wie war die Akzeptanz?

Iris Reuther: Um überhaupt Akzeptanz zu erreichen, ist es wichtig, die Projekte öffentlich und auf breiter Basis zu diskutieren. Weißenfels ist mit den „Neustadt-Werkstätten“ ganz symbolisch vor Ort gegangen. Die erste fand in einem Zelt an der Merseburger Straße direkt am Märchenbrunnen statt. Vertreter der Wirtschaft, Politik und Kultur, aber vor allem der Bürgerverein waren einbezogen. Aus diesem Kreis ist ein informelles Begleitgremium hervorgegangen, das die Vorbereitung und Umsetzung von Projekten, etwa die Jurierung eines Gestaltungswettbewerbes für das ehemalige E-Werk und die Landschaftsachse in der Neustadt, übernommen hat. Natürlich ist es bei öffentlichen Diskussionen immer eine Herausforderung, dass man beweisen muss, wie aus den Plänen etwas wird. Aber mit einem solchen Gremium erweitert sich der Kreis der Fürsprecher.

Sie erwähnten die Ernährungswirtschaft. Unterstützt sie den IBA-Prozess?

Iris Reuther: Beispielsweise sind Ausgleichsmaßnahmen für die Erweiterung des Schlachthofes in die Gestaltung der neuen Landschaftsachse in der Neustadt einbezogen worden. Den Unternehmen sind Faktoren wie Wasser- und Abwasserversorgung wichtig, die Verkehrserschließung, aber auch das Bildungsangebot und das Image für anzusiedelnde Arbeitskräfte. Deshalb haben sich ein intensiver Dialog und konkrete gemeinsame Projekte ergeben.

Wie sieht Ihre Vision von Weißenfels nach der IBA aus?

Iris Reuther: Weißenfels kann sich als „Die grüne Stadt an der Saale“ zeigen und als selbstbewusstes kleineres Mittelzentrum in Mitteldeutschland. Wenn das Image der Stadt sich so weit wandelt, dass klar ist: Das schöne Saaletal beginnt in Weißenfels und nicht erst in Naumburg, dann hat die Stadt es geschafft.

Info: Weißenfels