Selbstverständigung über reale Potenziale

Fragen an Michael Bräuer

Michael Bräuer ist Vorsitzender der Expertengruppe Städtebaulicher Denkmalschutz und Mitglied im Lenkungsausschuss der IBA Stadtumbau 2010.

Was war Ihr schönstes IBA-Erlebnis in den Städten vor Ort?

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Lutherwegspaziergang 2008 // Foto: Ursula Achternkamp

Das auch fast ein Jahr später noch nachhaltigste Erlebnis war unsere Teilnahme am nun schon vierten Lutherspaziergang am letzten August-Sonntag des Jahres 2009 in Lutherstadt Eisleben.

Es war absolut überraschend, am Ausgangspunkt, dem Luther-Geburtshaus mit dem neuen Museumsbau, eine solche Menschenmenge – es sollen über 400 gewesen sein – anzutreffen und gemeinsam nach den Eröffnungsworten der städtischen und Landesprominenz den Weg mit seinen Stationen zu absolvieren. Diese sind mit Bedacht gewählt und wurden – übertragen mittels einer fahrbaren Beschallungsanlage – auch allen Teilnehmern gut und überzeugend vermittelt. Am letzten August-Sonntag dieses Jahres wird es den fünften Lutherspaziergang geben – sicher wieder mit großer Resonanz.

Was hat Sie im Zusammenhang mit der IBA in den Städten am meisten überrascht?

Anfänglich hatte ich Bedenken, ob ein im Prinzip auf „geordneten Rückzug“ orientierendes IBA-Thema von den handelnden Politkern und der jeweiligen Stadtbevölkerung so aufgenommen werden würde, dass daraus gemeinsam positive Effekte entwickelt werden können. Der von beiden Seiten zu absolvierende Lernprozess war nicht einfach, schon gar nichtkonfliktfrei und wurde in den Städten von der Kommunalpolitik auch deutlich unterschiedlich angenommen. Bei aller Anfangsskepsis ist aber ein außerordentlicher Erfolg für die handelnden Stadtgemeinschaften an allen Standorten zu verzeichnen. Integriertes Denken und Handeln, Selbstverständigung über reale Potenziale und die intensive Einbeziehung der Öffentlichkeit der Stadt überraschen nun nicht mehr. Sie überzeugen.

Welchen "Geheimtipp" haben Sie für IBA-Besucher, was sollten sie sich unbedingt anschauen?

„Geheimtipps“ habe ich nicht – schließlich sind alle Konzepte und Projekte „öffentlich“ gemacht. Überraschend ist für mich die Vielfalt, die ich bisher bei meinen Besuchen erlebe. Da ist Merseburg mit seinem Schlossberg, den Museen und der Entwicklung auf der Schlossinsel – und da ist der Film, mit dem den Studenten der Fachhochschule mit ihren Lehrern darüber eindrucksvoll berichten und das bei der Erstaufführung gegebene Versprechen, Stadt und Hochschul-Campus intensiver zusammen zu führen. Und da ist die Stadt Köthen, die weiterhin mit dem Thema und dem geistigen Ansatz der Homöopathie ihr jetzt schon sehr beeindruckendes städtisches Ensemble weiter entwickeln will. Entscheidend ist, dass der Geist der IBA weiter das Denken und den Prozess der Stadtentwicklung aktiv hält.